Sieben Diskutanten, zwei Spots und ein Gesamterfolg

(Berlin, 16. Februar 2010) Der Berliner Filmverband in ver.di und connexx.av organisierten auch dieses Jahr wieder zur Berlinale eine erfolgreiche Podiumsdiskussion. Das Panel mit dem Titel: "Systemfehler? Filmemachen in Zeiten erschwerter Produktionsbedingungen“ versuchte Antworten zu finden. Denn obwohl der deutsche Film eine Erfolgsgeschichte ist, stellt sich dies für die deutschen Filmmacher ganz anders dar. Zwar war 2009 für die deutsche Kinowirtschaft eines der erfolgreichsten Jahre ihrer Geschichte, registrierten die Kinobetreiber 15% mehr Besucher und einen Gesamtumsatz von 266 Mio. Euro in Bezug auf den deutschen Film. Zwar hat der Deutsche Filmförderfonds (DFFF), der vor 3 Jahren mit einem jährlichen Budget von 60 Mio. Euro ins Leben gerufen wurde, eine Investitionsspanne von 600%, für jeden Fördereuro werden also sechs Euro reinvestiert. Zudem ist der deutsche Film auch international gefragt, „Das weiße Band“ hat nach dem Gewinn des Golden Globe auch eine Oscar-Nominierung ergattert - mit großen Gewinnchancen. Woran liegt es also, dass die subjektive Wahrnehmung der hiesigen Filmemacher eine ganz andere ist, in einem Land, in dem Budgetcuts, gestrichene Sendeplätze und eingestampfte Filmprojekte die Regel sind? Unter der Moderation von Juliane Schulze, Senior Partner der Peacefulfish Productions in Berlin, einer Filmfinanzierungs- und Beratungsfirma, ging es dann auch kontrovers zur Sache. Der Fernsehregisseur und -autor Marcus O. Rosenmüller ("Gottes mächtige Dienerin“ D 2010) hat für sich entdeckt, dass die meisten Drehbücher in Deutschland nicht ausreichend entwickelt sind. Um mit seinen Stoffen jedoch eine höhere Realisierungschance zu erzielen, verwendet er besonders viel Zeit und Energie auf die Entwicklungsphase eines Drehbuches. Das führt dazu, dass er Produzenten und TV-Sendern vollständige Projektpakete anbieten kann, die von seiner Casascania GmbH entwickelt wurden. Die Produzentin Doris Kirch von der Blue Angel Films ("Buy Borrow Steal“ GB 2007) in London, die früher Producerin bei Sat 1 war, sprach Rosenmüller entschieden den Mehrwert seines Modells ab. Philipp Menz, Produzent und Managing Director der Atlas International Film GmbH ("La conjura de El Escorial“ ES 2008) sieht darin ebenfalls nur einen Teil der Problemlösung, schließlich sind Produzenten ebenfalls kreativ und sollten daher mit den Filmemachern in der Entwicklung zusammen arbeiten. Für ihn liegen die wichtigsten erforderlichen Veränderungen im Wesen des Filmemachers an sich. Denn nur wenn ein Kreativer auch in der Lage ist, geschäftsorientiert zu denken, wird er mit seinen Produkten Erfolg haben. Nur durch einen straffen Businessplan sei eine Einbindung von internationalen Partnern möglich. Ein Paradigmenwechsel sei vonnöten, der deutsche Film müsse international konkurrenzfähiger werden. Der Produzent Roman Paul von Razor Film, der u.a. den Oscar nominierten Film "Waltz with Bashir“ (Israel 2008) produzierte, sieht das ähnlich. Er hob ausdrücklich hervor, welch großes kreatives Talent in Deutschland präsent sei. Ihm mache die Arbeit mit Deutschen, die für ihn im Ausland arbeiten, großen Spaß, für ihn sei das weiterhin ein sehr gangbarer Weg, um seine Filme zu realisieren. Björn Koll, Produzent und Geschäftsführer bei der Edition Salzgeber hat noch nie mit deutschen Fernsehgeldern produziert. Wenn er an ein Projekt glaubt, steckt er auch schon mal eigenes Geld hinein und bringt es dann selbst ins Kino. Er hat drei Filme auf der diesjährigen Berlinale laufen und organisiert zusammen mit den Cinemaxx-Kinos einmal im Monat die "Gay-Filmnacht". Er kann überhaupt nicht klagen, auch wenn sein aktueller Kinofilm "Oscar Niemeyer – Das Leben ist ein Hauch“ (BR 2007) bisher nur 6.000 Zuschauer erreicht hat. Geteiltes Leid ist halbes Leid, denn auch in Dänemark hat es einen Produktions- und Finanzierungskahlschlag gegeben, wie Klaus Hansen, Managing Director der Danish Producers´ Association ausführte. Nach seinem weltweiten Höhenflug durch die Dogma-Filme ist das kleine Land längst wieder im Produktionsniemandsland angekommen, müssen die 25 jährlich produzierten Filme mit einem Budget von weit unter 2 Mio. Euro auskommen. Eine Summe, für die in Deutschland keine Filme gemacht werden, zumindest nicht fürs Fernsehen. Am Ende des sehr gut besuchten Panels, es kamen knapp 100 Zuhörer, fasste Juliane Schulze das Gesagte mit drei Begriffen zusammen: Stoffentwicklung, Co-Produktionen und internationale Finanzierungspartner. Das seien die Bausteine für künstlerisch und wirtschaftlich erfolgreiche Filme, die auch weltweit eine lange Lebenszeit besitzen. Die Überraschung der Veranstaltung folgte nach der Diskussionsrunde, als der Berliner Filmverband in ver.di zwei seiner vier selbst produzierten Spots zu besseren Arbeitsbedingungen zum ersten Mal präsentierte. Die Spots ("Wir sind mehr wert“ D 2010) erzählen eine spannende Geschichte, haben ungewöhnliche Schauplätze und sind rasant gedreht und geschnitten. Sie kamen gut an beim Publikum - eine gelungene Weltpremiere, am Ende einer gelungenen Veranstaltung. Christoph Brandl Fotogalerie vom 16.2.: Für eine größere Ansicht klicken Sie bitte auf die Bilder. Alle Fotos © 2010 Meike Rath



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