Film & Fernsehen

Mitarbeiter der EgoliTossell erhalten trotz Insolvenzplanverfahren ihr Geld

(BFV-Newsletter 03/2011) Im Januar freuten sich Judy Tossell und Jens Meurer über einen Golden Globe für ihren Kino- und Fernsehmehrteiler „Carlos - der Schakal“. Die beiden Berliner Produzenten sind nach diesem künstlerischen Erfolg in den USA und europaweit endgültig gefragte Gesprächspartner geworden, um ambitionierte Arthouse-Großprojekte auf die Beine zu stellen.
Ein Ruf, den sie Ende der 1990 Jahre aufgebaut haben. Mit Sokurows „Russian Ark“ setzten sie ein erstes künstlerisches Achtungszeichen. Wirtschaftlich sah es für die Firma niemals rosig aus. Am 27. Januar beantragten Tossell und Meurer beim Amtsgericht in Charlottenburg ein so genanntes Insolvenzplanverfahren für ihre Produktionsfirma EgoliTossell, das von der Unternehmensberatungsfirma CMS begleitet wird. Diese Rechtsform wurde 1999 in Deutschland eingeführt und soll Firmen einen Neustart ermöglichen, die überschuldet sind, aber nach einer Einigung mit den Banken über die Tilgung der Altschulden einen gute Chance haben, wieder erfolgreich am Markt zu agieren. Angewandt wurde es in Deutschland unter anderem bei der Sanierung von Karstadt, Schiesser und Herlitz. EgoliTossell Film geriet in die Schieflage, weil die Produktion von „Carlos“ teurer als geplant war und die Erlöse hinter den Erwartungen zurück blieben, so Meurer.

Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten könnten jedoch schon länger bestehen. Seit „Hilde“, dem ambitionierten und teuren Biopic um Hilde Knef, könnten Löcher nur noch gestopft worden sein, in dem alte Verbindlichkeiten mit dem Geld bedient wurde, dass für neue Projekte zur Verfügung stand. Juristisch könnte dies als Subventionsbetrug und Insolvenzverschleppung gewertet werden. Diesem Anfangsverdacht geht jetzt die Staatsanwaltschaft nach. Ein Gläubiger von EgoliTossell hat Strafantrag gestellt. Wenn dieses Konstrukt bestanden hätte, könnte es ins Wanken geraten sein, als die Firma 2010 nur einen neuen Film produzieren konnte. Der Insolvenzverwalter ringt jetzt zunächst einmal um die Fertigstellung dieses Films, „Playoff“ von Eran Riklis, der 2010 in Frankfurt/Main gedreht wurde. Auf 500.000 – 700.000 Euro werden die Außenstände geschätzt, die nun schleunigst bezahlt werden müssen. Denn jeder Urheber und Leistungsschutzberechtigte, egal ob Schauspieler, Szenenbildner oder Regisseur, kann sonst mit seinem Veto eine Auswertung des Films verhindern. Betroffene können sich beim BundesFilmVerband(BFV) Kathlen Eggerling Rat holen. Die Begleichung aller kalkulierten Kosten, unter anderem für Presseagenturen und andere Dienstleister, muss auch nachgewiesen werden, damit die Filmförderungen ihre Mittel nicht zurückverlangen können. Zu den Geldgebern bei „Playoff“ gehörten unter anderem der DFFF, MiniTraité, die MFG und Hesseninvestfilm. Sie muss der Insolvenzverwalter jetzt überzeugen, ihre noch ausstehenden Raten auf ein Treuhandkonto einzuzahlen, von dem das Geld zweckgebunden nur in die Fertigstellung von „Playoff“ fließt und nicht in der Insolvenzmasse verschwindet. Der Nachweis der ordnungsgemäßen Verwendung von Fördergeldern muss wohl auch für alle zuvor fertig gestellten Filme erfolgen. Sonst liefe wohl jede Firma Gefahr, künftig völlig vom Fördertopf abgehängt zu werden. Andere Gläubiger müssen aber wohl einen Teil ihrer Forderungen abschreiben, insbesondere wird dies wohl Banken treffen. Erst wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, wird wie angekündigt ein Frankfurter Finanzinvestor bei der AG einsteigen können, der Jens Meurer und Judy Tossell alle künstlerischen Freiheiten lässt. Deren Leidenschaft für den Film und deren Ader für hochwertige, künstlerisch herausragende Filme sind ja unbestritten. Mehrere neue internationale Filmprojekte haben sie schon am Start. Im Februar begannen die Arbeiten an der deutsch-spanisch-belgischen Koproduktion „Ivanhoe“ mit einem Budget von mehr als 20 Mio. Euro. Mit Assayas plant Meurer ein Projekt über die Black Panther, vor dem Startschuss steht „Hector´s Reise ins Glück“.Die wirtschaftliche Schieflage der Firma wirft ein Licht auf die Situation der großen Mehrheit der unabhängigen deutschen Filmproduktionsfirmen – sie verfügen nicht über das Eigenkapital, um Flops zu verkraften und Durststrecken durchzustehen. Daran hat sich auch nach der Einführung des Deutschen Filmförderfonds nichts geändert – das Geld fließt sofort in die Produktion, Rücklagen können nicht gebildet werden. Was ursprünglich ja mal die Absicht war. In Deutschland muss weiter produziert werden, um Förder- und Fernsehgelder zu generieren und damit die Firmen am Leben zu erhalten.

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