Film & Fernsehen

Abgedreht und abgelehnt - Studienergebnisse zum ALG I-Bezug von Film- und Fernsehschaffenden zum Download

(Berlin, 26. Juni 2012) Die Sozialstudie "Abgedreht und abgelehnt" im Auftrag der ver.di FilmUnion steht nun auch zum Download bereit. Sie zeigt, dass die Situation für Film- und Fernsehschaffende nicht nur hinsichtlich ihrer Beschäftigungssituation prekär ist, sondern tiefgreifende negative Auswirkungen auf die Familie, den sozialen Status sowie die Gesundheit hat.
Abgedreht und abgelehnt
Abgedreht und abgelehnt
Die Daten zeigen, dass die Beschäftigungssituation der Film- und Fernsehschaffenden aus zwei Gründen unsicher und prekär ist. Zum einen liegt es an der zeitlichen Struktur der Beschäftigung, da die Befragten kaum durchgängig sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind und sich die Beschäftigungen zudem auf mehrere Projekte verteilen. Zum zweiten liegen die Einkommen überwiegend unter dem Durchschnittseinkommen. Diese grundlegend schwierige Situation von Beschäftigung, geringem Einkommen sowie einer unzureichenden sozialen Absicherung wirkt sich insgesamt negativ auf die Zufriedenheit mit der eigenen Lebenssituation aus.

Insbesondere die finanzielle Lage wird von mehr als der Hälfte der befragten Film- und Fernsehschaffenden als schlecht empfunden. Immer noch ein Drittel der Befragten nehmen auch den sozialen Status, die gesundheitliche und familiäre Situation als nicht befriedigend wahr. Mit vier Projekten im Jahr ist die Mehrheit der Befragten zwischen 61 und 240 Tagen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Für ihren Lebensunterhalt sind Transferzahlungen daher genauso wichtig wie Einkünfte aus der Arbeit. Hierbei wird deutlich, welche Bedeutung die Einbindung in das soziale Sicherungssystem gerade in Verbindung mit den wechselnden befristeten Beschäftigungen für diese Menschen hat.

Die Anspruchsgrundlage für den Bezug von ALG I spielt hier eine zentrale Rolle. Für sich genommen ist die Verkürzung der Anwartschaftszeit auf 180 SV-Tage in 24 Monaten eine sinnvolle Anpassung an die Beschäftigungsstrukturen in der Film- und Fernsehbranche. Der Anteil der Anspruchsberechtigten für den ALG I-Bezug würde durch die Verkürzung der Anwartschaftszeit ohne die Restriktionen von 32,4 % auf 66,5 % steigen. Denn ein Drittel der Befragten erreichen 360 und mehr Sozialversicherungstage und ein weiteres Drittel erreicht immerhin 180 bis 359 Sozialversicherungstage in 24 Monaten.

Der ALG I-Bezug nach der verkürzten Anwartschaftszeit hat für die befragten Film- und Fernsehschaffenden jedoch nur eine geringe Bedeutung. Gerade einmal 5,5 % der Befragten konnten ALG I nach dieser Regelung beziehen. Problematisch ist die Regelung zur verkürzten Anwartschaftszeit aufgrund der hohen Ablehnungsquoten. So liegt der Anteil der Ablehnungen bei den Befragten, die ALG I auf Grundlage der kurzen Anwartschaftszeit beantragten, bei 54 %. Insbesondere die Forderung nach mehrheitlich kurzen Beschäftigungen führt bei vielen der befragten Antragsteller/-innen zum Verfehlen der ALG I-Kriterien. 44,4 % scheitern allein an diesem Kriterium der kurzen Beschäftigungen, weitere 23,3 % an der Höhe der Verdienstgrenze von 30.240 € pro Jahr. Nur noch ein knappes Fünftel der Befragten mit der geforderten Anwartschaftszeit kann die beiden Hauptkriterien gleichzeitig erfüllen (18,9 %).

Die Kombination mehrerer Restriktionen für den ALG I-Bezug bei verkürzter Anwartschaftszeit stellt sich damit als hochproblematisch heraus – nicht nur durch die ALG I-eigenen Kriterien, sondern auch in Verbindung mit dem tariflichen Zeitkonto. Dieses Instrument soll den Bezug von ALG I erleichtern und im Rahmen der konventionellen Anwartschaftszeit zeigt sich, dass es dies auch leisten kann; durchschnittlich konnten die befragten Film- und Fernsehschaffenden 17 zusätzliche Beschäftigungstage pro Jahr erreichen. Die Kombination mit der verkürzten Anwartschaftszeit führt die Verlängerung der Beschäftigungszeiten gerade zum Gegenteil, da sich der Anteil der kurzen Beschäftigungen (bis 42 SV-Tage) verringert und damit ein wesentliches Kriterium für den ALG I-Bezug mitunter nicht erfüllt werden kann.

Forderung der ver.di FilmUnion zur Gesetzesänderung

Eine Verkürzung der Anwartschaftszeit passt grundsätzlich gut zu den Beschäftigungsstrukturen der Film- und Fernsehschaffenden, und die ver.di FilmUnion begrüßt die Umsetzung einer alten Forderung "6 statt 12". Sechs Monate (180 SV-Tage) sollten reichen, um einen Bezug von ALG I realisieren zu können und eine bessere soziale Absicherung zu erhalten. Unsere Umfrage hat gezeigt, dass dies ohne Restriktionen auch erreicht werden kann. Deshalb fordern wir folgende gesetzliche Anpassungen an die Beschäftigungs- und Lebensrealität der Film- und Fernsehschaffenden:
  • Die derzeitige Regelung sieht vor, dass die überwiegende Zahl der Anwartschaftstage aus Beschäftigungen bis zu sechs Wochen erreicht werden muss. Nach unseren durch diese Studie untermauerten Erkenntnissen stellt die Befristungsgrenze von sechs Wochen (42 SV-Tage) in Verbindung mit dem Überwiegensprinzip und der Kombination mit dem tariflichen Zeitkonto das größte Problem bei der Anwendung dar. Hier schlagen wir eine Anhebung der Befristungsdauer von mindestens 13 Wochen vor, damit auch Beschäftigte in längeren Projekten an der Regelung partizipieren können.
  • Bei der Verdienstgrenze für die zurückliegenden 12 Monate vor Antragstellung gilt die jeweilige Bezugsgröße des Durchschnittseinkommen (30.666 € / West in 2010), die nicht überschritten werden darf. Aus Sicht der Betroffenen ist es nicht nachvollziehbar, dass auf Projektdauer Beschäftigte zwar bis zur mehr als doppelt so hoch wie die Bezugsgröße liegenden Beitragsbemessungsgrenze (BBG) Beiträge an die Arbeitslosenversicherung zahlen; denen steht dann aber jenseits der Verdienstgrenze kein Anspruch auf ALG I mehr gegenüber. Hier schlagen wir die Streichung der Verdienstgrenze vor oder zumindest die Anhebung auf die BBG. Mit diesen Anpassungen wäre ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der sozialen Absicherung der Film- und Fernsehschaffenden getan, um den betroffenen Menschen und ihren Familien im Rahmen ihrer Beschäftigungs- und Lebenssituationen ein höheres Maß an Gerechtigkeit zu gewährleisten.

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