Rundfunk

aus: Sprachrohr 4/12

Abserviert bei ALEX

(Berlin, 26. Oktober 2012) ALEX, das trimediale Bürger- und Ereignisfernsehen und "Sprungbrett für angehende Medienmacher" schubst eben diese Medienmacher auch schon mal vom besagten Brett, wenn sie sich für die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen zu engagiert einsetzen. In der 100. Sendung von Radio Magic City Six (freie Radiosendung, ausgestrahlt über ALEX Berlin) hat Kathlen Eggerling mit Moderatorin Gerti darüber ein Gespräch geführt, das unten nachzuhören ist.
Guckste: Nur noch Werkstudenten beim Berliner Bürger- und Ereignisfernsehen genehm

Als „Sprungbrett für angehende Medienmacher“ beschäftigt ALEX, das trimediale Bürger- und Ereignisfernsehen in Berlin – Slogan: Guckste. Hörste. Klickste. – jetzt nur noch Werkstudenten als Crew Mitglieder. "Die Einführung des neuen Systems führt dazu, dass einige Mitglieder der bisherigen Crew nicht weiter eingesetzt werden können“, besiegelte, immerhin mit Dank und freundlichen Grüßen, Till Reinhold, stellv. Leiter von ALEX, im April 2012 per Mail den faktischen Rausschmiss langjähriger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – zwar nur geringfügig beschäftigt, aber zumeist sehr qualifiziert.

"Ein rechtlich zwar unangreifbarer, aber menschlich zu verachtender Umgang“, kommentiert Kathlen Eggerling von connexx.av, der Interessenvertretung für Medienschaffende in privatem Rundfunk, Fernsehen und im Internet. "Ohne jegliche Kommunikation, ohne sich Gedanken um die Beschäftigten zu machen und ohne für sie Verantwortung zu zeigen, hat die Geschäftsführung sie eiskalt abserviert.“ Dass die Vertragsverhältnisse so gestaltet waren, dass man Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jederzeit loswerden konnte, sei ausgenutzt worden. Vorausgegangen waren längerfristige Bemühungen um bessere Arbeitsverträge. Bereits 2009 schlossen sich geringfügig Beschäftigte zu einer Interessenvertretung zusammen und unterbreiteten der damals neuen Geschäftsführung Vorschläge. Gabriel P. (Name von der Redaktion geändert), der vor zehn Jahren zum damals Offenen Kanal kam und die Profilierung zum Bürger- und Ereignisfernsehen ALEX an der Basis mitgestaltete, erinnert sich. "In der Sparte Ereignisfernsehen sind die meisten Kolleginnen und Kollegen beschäftigt. Wir waren viel unterwegs, kümmerten uns um Veranstaltungsaufzeichnungen und –übertragungen, hatten hochqualifizierte Leute im Team. Doch alle Verträge waren auf 400 Euro-Basis ausgelegt. Das heißt, pauschal gab es für jeden Einsatz, der meist zehn und nie weniger als sechs Stunden dauerte, 80 Euro. Wir haben viel gearbeitet für minimalen Lohn.“

Hörste: Für Gespräche keine Kapazitäten

Alle Bemühungen jedoch um einen über 400 Euro liegenden Verdienst, um ein "Entgelt, von dem man leben kann“, versandeten, die Beschäftigten wurden sowohl von der ALEX- als auch der MABB-Chefetage hingehalten. Argument: Bei der MABB gäbe es für Gespräche keine Kapazitäten.
Als die Geduld der Beschäftigten erschöpft ist, suchen sie Ende 2011 bei ver.di Hilfe. In einer Umfrage spricht sich der überwiegende Teil für Tarifverhandlungen aus mit dem Ziel, die Honorare zu erhöhen. ver.di wendet sich daraufhin Anfang 2012 offiziell an MABB-Direktor Dr. Hans Hege mit der Aufforderung zu Tarifverhandlungen für die geringfügig Beschäftigen, die als Kameraleute, Bildregisseure, Tontechniker u.ä. fürs Ereignisfernsehen bzw. Studioproduktionen tätig sind, eine Kopie des Schreibens geht an ALEX-Leiter Volker Bach. Hege erklärt sich im März zu einem Sondierungsgespräch bereit, um zu klären, worum es gehen soll und bittet um Terminvorschläge. ver.di schlägt drei im April vor. "Seitdem herrschte Grabesruhe“, konstatiert Landesfachbereichsleiter Andreas Köhn. Verschiedene briefliche und telefonische Kontaktversuche schlugen fehl. "Dr. Hege war für mich nie zu sprechen.“ Vielleicht, so darf spekuliert werden, betrachtet dieser auch das Problem aufgrund der geänderten Beschäftigungspraxis bei ALEX als erledigt.
"Die neue Regelung hat zur Folge, dass genau der Kreis der Kolleginnen und Kollegen beschäftigungslos bleibt, auf die sich ALEX jahrelang verlassen hat, die neue Medienmacher angelernt und gleichzeitig die Qualität der Sendungen garantiert haben – kurz: die ALEX insgesamt mit nach vorn gebracht haben." – Andreas Köhn und Kathlen Eggerling halten das "nicht für einen angemessenen Umgang mit den Mitarbeitern, gleich in welchem Umfang sie beschäftigt waren.“

Klickste: Weg mit Euch trotz Vertrags

"Alle, die keine Studenten mehr waren, wurden de facto rausgeschmissen, da sie trotz vorhandenen Bedarfs oder noch bestehender Rahmenverträge von heute auf morgen nicht mehr gebucht wurden", bestätigt Gabriel P. Er, obwohl selbst noch studierend, wurde schon seit Jahresbeginn 2012 nicht mehr angefragt – "möglicherweise aufgrund meiner Aktivitäten um die Verbesserung unserer Situation“, vermutet er. "Wir hatten eine Prognoseregelung im Sinn, wollten uns aktiv einbringen. Aber wir wurden nicht ernst genommen.“

Gabriel hat inzwischen eine Alternativbeschäftigung gefunden. "Andere hatten nicht das Glück“, weiß er. "Die kämpfen jetzt um ihr Überleben.“

Bettina Erdmann

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