Film & Fernsehen

„Die Rekordgewinne der Privaten entstehen auf Kosten der Produzenten und der Filmschaffenden“ – in einem Interview berichtet Alexander Thies, Produzent und Vorsitzende des Gesamtvorstands der Produzentenallianz, über die Probleme der Produzenten.

(ver.di FilmUnion-Newsletter 06/2012) "Wir erleben ein gutes Miteinander der Sozialpartner wie den Filmschaffenden: sachorientiert und immer konstruktiv. Natürlich gibt es unterschiedliche Interessen, die nach unserer Einschätzung aber fair besprochen und ausgetragen werden,“ sagt Jens Steinbrenner, der Pressesprecher der Produzentenallianz. Die Frage ist, ob das andersherum genauso gesehen wird, ob also die Filmschaffenden die Einschätzung ihrer Arbeitgeber teilen. Zur Meinungsbildung dient ein Interview, das Alexander Thies, der Vorsitzenden des Gesamtvorstands der Produzentenallianz kürzlich der Zeitschrift Blickpunkt:Film gegeben hat.
Nach der Lektüre wird vermutlich keiner der Filmschaffenden in Mitleid für Produzenten ausbrechen, doch es dient dem fairen Umgang miteinander, die andere Partei wenigstens anzuhören. Dazu kommt, dass Thies bereits öfters Interesse an einer Zusammenarbeit mit der ver.di FilmUnion gezeigt hat. So war er bei der vorletzten Berlinale auf dem ver.di-Panel und hat erst Mitte Juni auf dem Sommerfest der Produzentenallianz ein solches Interesse – über Tarifverhandlungen und Gremienarbeit hinaus – bekräftigt.

In der Frühlingsumfrage der Produzentenallianz beklagten knapp zwei Drittel der Mitglieder, für ihre Leistungen nicht gerecht bezahlt zu werden. Das klingt nach einer Aussage, die auch zwei Drittel der Filmschaffenden jederzeit treffen könnten. Doch kommt das Leid der Produzenten eher in Wellen und ist abhängig von der Art der momentanen Krise: „In der Werbekrise vor drei Jahren haben die Privatsender ihre Budgets zusammengestrichen, was wir Produzenten natürlich mitmachen mussten. Die Sender konnten ja nicht mehr ausgeben, als sie hatten“, sagt Thies. Nach dem Ende der Krise seien die Budgets allerdings nicht wieder angehoben worden, und heute freuten sich die RTL Group und die ProSiebenSat.1 Media AG regelmäßig über Rekordgewinne. „Diese entstehen aber auf Kosten der Produzenten – und der Schauspieler, Regisseure, Autoren und aller anderen Filmschaffenden. Genau wie die Sparbemühungen der öffentlich-rechtlichen Sender“. Zwar stünden die unter Druck, allerdings sei es im Falle der Gebühren finanzierten Sender nicht einzusehen, dass bei einem sicheren Gebührenvolumen von 7,5 Mrd. Euro die Sparschraube ausgerechnet bei den Programmbudgets immer weiter angezogen werde. „Schließlich ist das Programm letztlich die Kernaufgabe dieser Sender“, so Thies im genannten Interview.

Dass das Produktionsjahr 2009 aber doch noch ein ganz gutes wurde, hatte mit etwas anderem zu tun, nämlich mit dem persönlichen Einsatz vieler Produzenten. Denn die deutsche Film- und TV-Produktionswirtschaft sei keine Branche, die aus Rohstoffen Produkte herstelle, die dann zu Festpreisen gehandelt werden, sagte Thies. „Unser Rohstoff ist vielmehr die Kreativität, aus der wir mit jeder Menge Know-how und dem großen Engagement vieler Menschen Filme, Serien, Shows und Werbespots machen“. Allerdings sei Voraussetzung hierfür, wie bei anderen Kunstformen eben auch, neben großer Flexibilität, auch einen gewissen Hang zur Selbstausbeutung miteinzubringen. „Nur kommen wir jetzt an einen Punkt – und damit meine ich nicht nur die Produzenten – wo Flexibilität und Selbstausbeutung auch nicht mehr helfen“. Denn es sei mit den zur Verfügung stehenden Mitteln immer schwieriger, in vernünftiger, guter Qualität auskömmlich zu produzieren, geschweige denn, Rücklagen zu bilden, „um in zukunftsträchtige Programmideen zu investieren oder Ausfälle abzupuffern.“

Warum aber tun sich die Produzenten mit der Erschließung neuer Auswertungsmöglichkeiten wie beispielsweise Video on Demand (VoD) so schwer? Könnten sie doch damit endlich die so dringend benötigten Rücklagen und Investitionsbudgets schaffen. Alexander Thies: „Erstens konnten die Fernsehproduzenten bisher kaum jene eigenen Rechte ansammeln, die für eine Verwertung unverzichtbar sind. Zweitens gibt es in Deutschland noch keine Plattformen, die vom Publikum so angenommen werden, wie zum Beispiel Hulu in den USA.“ Legale, nutzerfreundliche Angebote seien aber der Schlüssel zu einer nennenswerten Wertschöpfung – und das beste Mittel gegen Internetpiraterie, die eine Marktentwicklung derzeit natürlich massiv behinderten.

(Christoph Brandl)


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