Film & Fernsehen

Frank Werneke nimmt im „epd medien“ Stellung zu Becks Kritik an den öff.-rechtlichen TV-Anstalten

(ver.di FilmUnion-Newsletter 05/2012) Geht es nach dem rheinland-pfälzischen Ministerpräsident Kurt Beck (SPD), solle die ARD einen Jugendkanal entwickeln, um der Gefahr eines massiven Generationenabrisses zu bekämpfen, der natürlich auch fürs ZDF gelte. Zugleich, schrieb er in einem Beitrag für „epd medien“, dass es kaum Spielraum für weitere Gebührenerhöhungen gebe, und schlug daher vor, dass ARD und ZDF ihre digitalen Informationskanäle aufgeben sollten, um u.a. jugendgerechte Spartenkanäle finanzieren zu können.
In einem Brief in derselben Publikation antwortet nun Frank Werneke, stellvertretender Vorsitzender von ver.di, auf Becks Vorschläge.

„Wenn wir laut über Neujustierungen in unserer Medienlandschaft nachdenken, die nach Kurt Becks Vorstellungen hauptsächlich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk betreffen, dann sollten wir uns hier keineswegs nur auf Einzelaspekte konzentrieren, sondern vielmehr das große Ganze - den öffentlich-rechtlichen Auftrag - wieder in den Blick nehmen.“, schreibt Werneke. Und dabei müsse man sich eben auch nach den veränderten Sehgewohnheiten der jungen Menschen richten, von denen einige ebenfalls bereits Rundfunkgebühren bezahlen.
So verbringen Jugendliche und junge Erwachsene heutzutage täglich bereits 20 Minuten länger im Internet als vor dem Fernseher. Tendenz steigend. Genau dieser Trend sei, laut Werneke, ursächlich dafür, dass die „im Großen und Ganzen nach wie vor qualitativ hochwertigen öffentlich-rechtlichen Angebote deshalb bei den Jüngeren gar nicht mehr ankommen, noch werden die dadurch entstehenden Defizite, zum Beispiel in der Informationsvermittlung, von privater Anbietern entsprechend ausgeglichen.“ Es sei daher zwingend erforderlich, den Generationenabriss beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufzuhalten, besser noch: umzukehren. „Wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Zukunft nicht in der Lage ist, relevante Teile der jungen Bevölkerung zu erreichen, steht langfristig seine Legitimation infrage“, schrieb Werneke.

Die öffentlich-rechtlichen Anstalten hätten diese Entwicklung erkannt und seien ihrer verfassungsgerichtlich festgeschriebenen Bestands- und Entwicklungsgarantie gefolgt, als sie begannen, ihre Inhalte im Internet umfassend anzubieten und so die Nutzerinnen und Nutzer dort zu erreichen, wo sie sind und künftig mehr denn je sein werden. Allerdings bemängelt er die Verweildauerbeschränkungen für öffentlich-rechtliche Internetangebote. Mit der Regelung im Rundfunkstaatsvertrag, wonach mit Gebühren bezahlte Inhalte „depubliziert“ werden müssten, hätten die Länder den öffentlich-rechtlichen Rundfunk um gesellschaftlichen Mehrwert und damit um ein Stück Akzeptanz gebracht ist es. Werneke, der auch Mitglied im ZDF-Fernsehrat ist, schreibt, es sei vollkommen unverständlich gewesen, warum die Länder die Onlineangebote der öffentlich-rechtlichen Anstalten im gleichen Atemzug mit der staatsvertraglichen Beauftragung so massiv eingeschränkt haben. Geltendes Recht ist jetzt: Die Anstalten müssen ihre Inhalte im Internet nach sieben Tagen (bei Sport: nach 24 Stunden) löschen. Länger darf nur vorgehalten werden, was den sogenannten Drei-Stufen-Test bestanden hat. Dabei prüfen die Rundfunkgremien, ob das digitale Angebot dem öffentlich-rechtlichen Auftrag entspricht. Doch selbst wenn die Gremien dies bejahen, gelten für öffentlich-rechtliche Onlineinhalte unterschiedliche Verweildauern. Für Werneke ist es schlichtweg unerklärlich, warum für die Gesellschaft relevante und von ihr bezahlte öffentlich-rechtliche Inhalte künstlich verknappt werden müssen. Hier gilt es nachzubessern und die Frage der Verweildauern neu zu regeln. Dies gilt zumal vor dem oben benannten teilweisen Marktversagen der privaten Anbieter als auch der schwierigen Aufgabe, die jüngeren Generationen an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu binden. Die Lösung bei der Debatte um öffentlich-rechtliche Onlineinhalte kann deshalb nicht sein, hochwertige Inhalte, die einem gesellschaftlichen Auftrag dienen und von der Allgemeinheit finanziert wurden, aus dem Netz zu verbannen.

Auch die von Beck angestoßene Debatte um die Neuordnung oder gar Abschaffung öffentlich-rechtlicher Spartenkanäle hält Beck derzeit für verfrüht. Denn auch die Abschaffung von Spartenkanälen und dadurch die – unterstellte – Stärkung der Gemeinschaftssender beheben das Kernproblem des Generationenabrisses beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht. Gerade die ZDF-Digitalkanäle haben sich erst vor kurzem mit neuen Programmfarben aufgestellt, seien akzeptiert und verzeichneten im Falle von ZDF neo sogar einen langsamen aber stetigen Zuschauerzuwachs. Des weiteren sei nicht hinzunehmen, dass es „kaum Spielraum für weitere Gebührenerhöhungen gibt“, wie Kurt Beck es formulierte. Denn der werde von der KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten) ermittelt und nicht vom Verwaltungsratsvorsitzenden. Der Finanzbedarf richtet sich danach, wie viele finanzielle Mittel die Anstalten benötigen, um ihrem staatsvertraglichen Auftrag nachzukommen. Solange Spartenkanäle zu diesem Auftrag gehören, muss auch deren Finanzierung sichergestellt werden. Aus diesem Grund ist die Fortschreibung der jetzigen Gebührenhöhe mit Umstellung auf den neuen Rundfunkbeitrag durch die KEF auch nur gerechtfertigt, solange zeitnah nach dem vollzogenen Gebührenumstieg die Finanzbedarfe der Anstalten wieder berücksichtigt werden. Am Ende sollte es Aufgabe der Rundfunkgremien wie der Sender selbst sein, darüber zu befinden, ob die Digitalkanäle Anspruch und Auftrag gerecht werden.

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