Verhältnis zwischen Sendern und Filmemachern muss neu justiert werden

(BFV-Newsletter 02/2011) Regisseurin Sherry Horrman ist verhalten optimistisch. Ursprünglich sollte ihre Verfilmung des Bestsellers „Wüstenblume“ im Herbst am späten Samstagabend in der ARD gezeigt werden.
Jetzt gehört die berührende Geschichte des Models Waris Dirie, die die Verstümmelung der Genitalien von Mädchen in Äthiopien erstmals öffentlich angeprangert hatte, zu den ersten 13 Titeln, die das Erste im Sommer 2012 gleich nach der „Tagesschau“ senden wird, um das Sommerloch durch die Urlaubspläne der Talker zu füllen. Mit dieser halbherzigen Entscheidung, die mit dem Geld der Gebührenzahler koproduzierten Spielfilme gegen den sommerlichen Garten antreten zu lassen, reagieren die Verantwortlichen der ARD auf die Kritik der Kreativen, Spielfilme in den späten Abendstunden zu verstecken und seit Jahren keinen regulären Platz für ihre Ausstrahlung anzubieten. Entzündet hatte er sich im Herbst 2010 an Doris Dörries „Hanami - Kirschblüten“, der trotz Ehrung mit dem Deutschen Filmpreis und mehr als einer Million verkaufter Kinokarten an einem Samstagabend nach 22.00 Uhr lief.

Das ZDF will Spielfilme künftig am Donnerstag um 20.15 Uhr senden. Den Platz müssen sich die deutschen Filme mit Titeln aus aller Welt teilen, da mindestens eine Mio. Zuschauer den Film zuvor im Kino gesehen haben müssten. Und davon finde er keine 20 Titel made in Germany im Jahr, bringt Reinhold Elschot, im Zweiten für die Koproduktion von Spielfilmen verantwortlich, die Philosophie des Sendeplatzes auf den Punkt. Deshalb setzt das ZDF nun schon in der Produktion auf leichtere Genres. Aus dem mit sechs Mio. Euro gefüllten Sondertopf von Thomas Bellut werden künftig statt ambitionierter Amphibienfilme wie „John Rabe“ und „Anonyma“ Komödien unterstützt, kündigte Elschot bei der Diskussion des Bundesverbands Regie mit Machern und Programmverantwortlichen an. Sie hinterließ einmal mehr den Eindruck, dass das Verhältnis zwischen Sendern und Filmemachern grundsätzlich neu justiert werden muss. Es stammt ja aus einer Ära, als engagierte Künstler wie Rainer Werner Fassbinder ihre heute in aller Welt als Klassiker eingestuften Filme nur realisieren konnten, weil das Fernsehen sie bezahlte. Ins deutsche Kino lockten sie nur wenige Zuschauer. Dort dominierten Schulmädchenreporte und seichte Komödien, die paradoxerweise heute statt Fassbinder die Nachmittagsprogramme füllen. Aus dieser Situation Anfang der 70er Jahre entstand ein kompliziertes Finanzierungs- und Produktionssystem, in dem die Sender die größte Macht haben. Ohne sie geht so gut wie nichts. Das Nadelöhr ist jedoch bei ARD und ZDF als auch bei den privaten Sendern verstopft, da einer wachsenden Zahl von Filmemachern und Projekten eine gleich bleibende Zahl von Sendeplätzen gegenübersteht. Und vor allem wurden die Etats der Redaktionen seit Jahren nicht erhöht.

Aus dieser Reibung könnte Kreatives entstehen. In Deutschland fördert das komplizierte Abhängigkeitsgeflecht von unabhängigen Produzenten, Sendern sowie regionalen und Bundesfilmförderungen eher das Mittelmaß. Diese Misere ist den fehlenden finanziellen Mitteln der mittelständig geprägten deutschen Produzentenszene geschuldet, die für die Entwicklung von Drehbüchern kaum Geld haben. Das Fernsehen fühlt sich für die Unterstützung der Autoren auch nicht verantwortlich, wie Bettina Reitz vom BR nochmals bekräftigte. Das führt zu einer absurden Situation. Produzenten holen sich das Geld für die Unterstützung der Autoren bei den Filmförderungen und sind unter Druck, das Projekt schnell zu Ende zu bringen. Oft genug gehen sie dann mit halb fertigen Büchern in Dreh. „Am Ende haben wir dann nicht den Film, den sich alle erhofft hatten,“ konstatiert Bettina Reitz. Dieses Mittelmaß funktioniert weder im Kino noch auf attraktiven Sendeplätzen im Kino. Doch alle Versuche, die Produzenten finanziell zu stärken, scheiterten in den vergangenen Jahren. So fließen die Mittel des mit 60 Mio. Euro im Jahr ausgestatteten Deutsche Filmförderfonds in aktuelle Drehs und werden nicht zur Seite gelegt, um den nächsten Film anzufangen. Ursprünglich sollte dieser Teufelskreis mit ihnen durchbrochen werden. Doch jenseits der Diskussion um die Zukunft im Verhältnis von Fernsehen und Kino. Schon heute fehlt es nicht an unterhaltenden, inhaltlich engagierten und künstlerisch ambitionierten Filmen, die den öffentlich-rechtlichen Sendesauftrag erfüllen. Sherry Hormanns „Wüstenblume“ ziert jeden Sendeplatz um 20.15 Uhr. Es ist wohl eher der Blick auf die Quote, der die Programmverantwortlichen vor solcher Programmierung zurückschrecken lässt. Dabei sind die Zuschauer, das beweisen alle empirischen Forschungen, bei weitem nicht so anspruchslos wie viele in den Spitzen der Häuser denken.

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