Berlinale-Panel der ver.di FilmUnion 2014

Die Urhebererlösbeteiligung: Ein Meilenstein in der Filmtarifpolitik!

Der Anspruch auf eine Erlösbeteiligung ergibt sich grundsätzlich aus der Novelle des Urhebervertragsrechts von 2002. Jetzt, über zehn Jahre später ist der Abschluss eines Tarifvertrages zwischen ver.di und dem Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler (BFFS) auf der einen Seite mit der Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen auf der anderen Seite gelungen. Dieser gilt für Kinofilme, die ab 2014 entstehen. Die Erlöse werden allen Filmkreativen zu gute kommen, die an einem Film mitgewirkt haben. Anlass genug, über die komplexe Materie und ihre Entstehungsgeschichte zu informieren. „Wir sind am Ziel eines langen Weges“, sagte ver.di Verhandlungsführer Matthias von Fintel auf dem Panel. „Der jetzt vorliegende Ergänzungstarifvertrag „Erlösbeteiligung Kinofilm“ ist ein Meilenstein für die Erstrechtevergütung beim Kinofilm.“ Er berücksichtige die Besonderheit der Produktion, Finanzierung und Auswertung von Kinofilmen. Und vor allem: Er schaffe Rechtsicherheit. Wie die ausgehandelten 7,5 % vom Produzenten-Netto der ersten von drei Beteiligungsstufen aufgeteilt werden sollen, daran arbeitete eine über 30-Kopf starke Arbeitsgruppe aus u.a. Regisseurinnen, Kamera- und Tonleuten, Schauspielern, Editoren und Szenen-, Kostüm- und Maskenbildnerinnen in intensiven Sitzungen und Telefongesprächen. „Wer ist Urheber eines Kinofilmes? Zu welchen Anteilen? Und nach welchen Kriterien werden sie ermittelt?“, waren nur einige der Probleme, die gelöst werden mussten. Alle Faktoren, die am Anteil des Gesamtwerks Film eine Rolle spielen, wurden nach Gewichtigkeit in ein angemessenes Verhältnis zueinander gesetzt und bildeten dann die Bausteine der sogenannten „Kreativgruppenformel“. Heinrich Schafmeister, Vorstandsmitglied des BFFS, beschrieb den Ergänzungstarifvertrag als einen „Bär, der im letzten Sommer erlegt und dessen Fell nun, nachdem man die Formel gefunden hatte, endlich zerteilt worden ist. Mit dieser Formel haben wir die nötigen Voraussetzungen für eine faire Beteiligung der Urheber am Erfolg eines Kinofilmes geschaffen. Sie wird sicher zur Versachlichung der Fragen in Sachen Erlösbeteiligung beitragen.“ Das Ziel dieser Arbeitsgruppe formulierte Schafmeister ironisch: „Wir wollten einen Kompromiss erzielen, bei dem am Ende alle gleich unzufrieden sind.“ So war für Dietmar Kraus, Mitglied des Bundesverbandes Filmschnitt Editor e.V. (BFS), das eigentlich Wunderbare an den langen, häufigen Treffen mit den anderen Mitwirkenden die Tatsache, dass „wir einander zugehört haben. Obwohl es so wichtige und schwierige Fragen zu beantworten gab, wie: Wer soll eigentlich mit rein in die Regelung? haben wir eine Form von Miteinander gepflegt, die unter Filmschaffenden üblich sein sollte.“ Beteiligte am zu verteilenden Erlös sind neben Regisseuren, Kameraleuten und Schauspielern sieben weitere Gewerke vom Szenenbildner bis zum Cutter. Explizit geregelt sind auch der urheberechtliche Beitrag von Ko-Regisseuren, 2nd-Unit-Kameraleuten und Synchronschauspielern. „Die Kreativgruppenformel dient als Instrument der Einigung. Sie bringt die Argumente in einen logischen Zusammenhang und berechnet die Binnenverteilung auf die Gewerke“, sagte Schafmeister. Gemäß dieser Formel richtet sich der Anteil der Urheber am Erlös prozentual nach verbrachter Zeit und nach der Höhe der Verantwortung an einem Film. Ein weiteres Element ist die Hierarchie eines Einzelnen, also wie groß sein Einfluss auf das Werk ist. Die Hierarchie ist beispielsweise bei den Regisseuren ein hoher Faktor, bei den Setdekorateuren ist er eher gering. Ein zusätzlich einzuberechnender Faktor ist die Repräsentanz eines Filmes in der Öffentlichkeit. Die ist bei Schauspielern hoch, bei Cuttern eher niedrig. Schafmeisters Formel besteht also aus physischen Momenten wie einer messbaren Anzahl von Arbeitstagen in Abhängigkeit zu metaphysischen Faktoren am künstlerischen Wert eines Filmes wie Verantwortung, Hierarchie und Repräsentanz. Zur empirischen Erforschung der Richtigkeit seiner Formel, betrieb die Arbeitsgruppe einen hohen Aufwand. Sie befragten Filmrechts- und –wirtschaftsexperten wie Alfred Holighaus und Gerhard Pfennig, sie konsultierten Juristen und eine Professorin der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam, außerdem holten sie den Rat ein von Animatoren und Illustratoren. Zusätzlich wurden die Abspänne von 101 deutschen Kinofilmen aus den Jahren 2010 bis 2012 ausgewertet, besonders auch, um festzustellen, welches Gewerk wie oft an Filmen tätig ist. Kraus rief jeden einzelnen der 101 Schnittmeister an, um herauszufinden, wie viel Zeit ein jeder im Schnittraum zugebracht hatte. Die erhaltenen Ergebnisse flossen in die prozentuale Bewertung der einzelnen Gewerke ein. Ausgezahlt wird in drei Erlösstufen, die sich nach der erfolgten Rückzahlung der Darlehen und Förderungen richten. Ausgezahlt werden 7,5 %, 12 % und 15 % des Produzenten-Nettos. Eine unabhängige Inkassostelle wird die Auszahlungen vornehmen. Bei der Publikumsbeteiligung, die auf die Darstellung des Ergänzungsvertrages und der Kreativgruppenformel folgte, wurde schnell klar, dass sich die beiden Verbände, die sich trotz Einladung aus der Findung eines Verteilungsschlüssels demonstrativ herausgehalten hatten, BVR (Regie) und BVK (Kamera), auch weiterhin nicht auf die Einigung einlassen werden. Jürgen Kasten vom BVR sieht den urheberrechtlichen Anteil der Regisseure wesentlich höher, als von ver.di, BFFS und den mitwirkenden Berufsverbänden veranschlagt. Er mutmaßte, dass durch den Kompromiss ein Keil zwischen die Filmschaffenden getrieben werde. „Die Formel ist kein Instrument, um reich zu werden“, sagte von Fintel, „aber sie ermöglicht, dass über die nächsten Jahre regelmäßig Gelder im zwei- oder dreistelligen Bereich ausgeschüttet werden können.“ Und damit schienen die ca. 150 Gäste der Veranstaltung sehr zufrieden zu sein.

(Christoph Brandl)



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