Filmförderung nur bei Einhaltung des Tarifvertrages - Förderer schweigen sich aus!

(ver.di FilmUnion-Newsletter 04/2012) “Die Verabredung von angemessen Gagen und Arbeitszeiten obliegt im Rahmen der Tarif-verhandlungen den Tarifpartnern. Wenn trotzdem Verträge zwischen Filmschaffenden und Produzenten geschlossen werden, die sich außerhalb der Tarifabschlüsse bewegen, so ist dies eine Entscheidung des Filmschaffenden, so bedauerlich die Umstände hierfür auch sein mögen.” Dieses Zitat stammt nicht von einem Produzenten aus der Vorkriegszeit, der noch nicht begriffen hat, dass Filmschaffende bei der Berufsausübung auch Rechte besitzen, sondern von Gabriele Pfennigsdorf, Förderreferentin Fernsehfilm (Produktion, Projektentwicklung) der FilmFernsehFonds Bayer GmbH.
In einer Befragung durch die online-Publikation cinearte wurden ihr und vier anderen Vertretern der größten deutschen Filmförderanstalten die Frage gestellt: “Wieso gelten Regionaleffekte und Firmensitz als Kriterien für eine Förderzusage, nicht aber die Garantie angemessener Tarifgagen und tariflicher Arbeitszeiten?” Ja, wieso eigentlich nicht?

Die von der ver.di FilmUnion seit Jahren formulierte Forderung, eine Filmförderung immer an die Einhaltung des bestehenden Tarifvertrages für Film- und Fernsehschaffende sowie sämtlicher Schutzgesetze für Filmschaffende zu koppeln ist bislang nur eine kleine Absichtserklärung im Filmfördergesetz (FFG). Dort heißt es, dass das Gesetz auch „...der Verbesserung der Wirtschafts- und Arbeitsbedingungen der Filmschaffenden dienen solle...“

Die Schauspielerin Marion Kracht hatte diese Gewerkschaftsforderung nochmals vorgeschlagen, Angelika Krüger-Leißner, die medienpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag hatte dem zugestimmt: Gefördert werden sollten nur Filme, deren Produzenten faire Arbeitsbedingungen während der Produktion garantieren können. Die Veranstaltung, bei der die Beiden ihre Vorschläge kundtaten, war die Verleihung des „Hoffnungsschimmers 2012“, dem Preis der Bundesvereinigung der Berufsverbände, der zur Berlinale seit zwei Jahren an diejenige Produktionsfirma verliehen wird, die unter den fairsten Bedingungen Filme produziert. Solche Preise bräuchte es eigentlich nicht zu geben, wenn beispielsweise in den DFFF-Regularien verankert wäre, dass Produktionsfirmen bestimmte Punkte beim Thema „Einhaltung von Tarifverträgen und Schutzgesetzen“ erlangen müsste, bevor man in den Genuss von Steuergeldern käme. Die Regionalförderer könnten bewilligte Gelder zurückverlangen, wenn sich nach Produktionsende herausstellte, dass der Tarifvertrag während des Drehs verletzt worden war. Wenn das Usus wäre, würden sich sicher Produktionsfirmen und Regisseure an Ruhezeitgebote halten, wenn andernfalls keine Filme mehr gemacht werden könnten. Denn vielen Filmschaffenden geht es um Beschäftigung und dass sie häufig auch der großen Ehre wegen an bestimmten Filmen mitarbeiten wollen. Honorareinbußen sowie massive Überstunden nehmen sie in der Regel klaglos in Kauf. Hat jemand mal von einem VW-Mitarbeiter verlangt, der Ehre wegen unbezahlte Überstunden zu leisten? Der feine Unterschied: Bei VW sind 90% gewerkschaftlich organisiert; vieles haben die Filmschaffenden auch selbst in der Hand, aber als befristet Beschäftigte sind sie auch auf Schutzfunktionen finanzierender Institutionen wie der Filmförderung angewiesen!

Warum also wird nicht von Förderer-Seite darüber gewacht, was mit Steuergeldern passiert? Was wie ein einfacher und kluger Vorschlag klingt, wird von den Förderern strikt abgelehnt. cinearte hatte die fünf größten Landesförderanstalten um eine Stellungnahme gebeten, doch die beiden größten, die Film- und Medienstiftung Nordrhein-Westfalen und das Medienboard Berlin-Brandenburg antworteten bis heute überhaupt nicht, obwohl sie für eine Antwort mehrere Monate Zeit hatten. Die anderen haben zwar durchaus Verständnis für faire Arbeitsbedingungen, sehen die Verantwortung aber in der Branche selbst: Wer Lohndumping und endlose Überstunden mitmache, sei selber schuld, so der Tenor. Den Förderern seien da die Hände gebunden, sagte Gabriele Pfennigsdorf vom Filmfernsehfonds Bayern. Man sei „ja schließlich keine Filmpolizei“. Bei der MFG Baden-Württemberg beruft man sich außerdem auf das Filmförderungsgesetz. Da würden zwar Regelungen zur „sparsamen Wirtschaftsführung“ getroffen, aber keine zu „angemessenen Gagen und Arbeitszeiten“.

Doch dass die Fördereinrichtungen als Polizei auftreten, verlangt keiner von ihnen, nur die Verantwortung, doch gefälligst darauf zu achten, was mit dem Geld geschieht, das man der Branche zur Verfügung stellt. Dass sie in der Lage sind, genauestens auf die Verwendung ihrer Fördergelder zu achten, sieht man in den Bereichen, in denen die Förderungen plötzlich überhaupt nicht zimperlich sind: Dass etwa der Regionaleffekt erfüllt wird, sieht Pfennigsdorf als „besondere Verpflichtung“, da der FFF sich „maßgeblich auch aus Steuergeldern“ finanziere. Und nicht nur in Bayern werden Kalkulationen und Abrechnungen von unabhängigen Wirtschaftsprüfern genau unter die Lupe genommen. Wer sich nicht an die Regeln hält, dem droht eine Anzeige wegen Subventionsbetrugs. Bedingungen stellen und kontrollieren, dass sie eingehalte werden, das tun die Förderer also schon längst und mit allem Recht. Auch ohne gleich zur Filmpolizei zu werden. Warum also nicht auch dann, wenn es um anderweitigen, vertragswidrigen Umgang mit Steuergeldern geht?

Einen Hoffnungsschimmer gibt es allerdings. So sagte Uwe Rosentreter, Verleih-/Vertriebsförderung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der MFG Filmförderung Baden-Württemberg: „Konkreten Beschwerden von Betroffenen, die direkt an uns gerichtet sind, gehen wir selbstverständlich nach und fordern gegebenenfalls den Förderempfänger (Produzenten) zur Stellungnahme auf. Möglicherweise könnte das Ergebnis einer solchen Prüfung im Einzelfall (über das wir das zuständige Vergabegremium unterrichten), dann bei einer erneuten Antragstellung des Produzenten negativen Einfluss auf die Förderentscheidung haben.“



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