Anhörung vom 23. April bringt deutlich Bewegung zur verkürzten Anwartschaft

(ver.di FilmUnion-Newsletter 04/2012) Die ver.di-FilmUnion hat erreicht, dass die drei Oppositionsfraktionen von SPD, Linke und Bündnis 90/Die Grünen sich der Gewerkschaftsforderung nahezu anschließen und die Regierungsfraktionen von CDU und FDP sich der Forderung immerhin annähern, was schon jetzt eine Verbesserung der sozialen Absicherung von flexibel und kurzfristig beschäftigten Film- und Kulturschaffenden bedeutet.
Der Ausschuss für Arbeit und Soziales führte am 23. April eine öffentliche Anhörung zur geplanten Gesetzgebung der verkürzten Anwartschaftszeit zum Bezug von ALG I durch. Insgesamt zwölf Experten, darunter auch eine Vertreterin der ver.di FilmUnion, legten ihre Standpunkte dar und stellten sich den Fragen der Abgeordneten. Auch die Bundesregierung legte einen Änderungsantrag zum bestehenden Gesetz, das am 1. August 2012 ausläuft, vor. Die ver.di-FilmUnion begrüßt die Bestrebungen aller Parteien, eine verbesserte Regelung herbeiführen zu wollen.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte sich zuvor für eine bessere Absicherung von flexibel Beschäftigten in der Arbeitslosenversicherung stark gemacht. Die meisten Betroffenen würden zwar Beiträge in die Arbeitslosenversicherung einzahlen, aber wenn ihr Vertrag ausläuft, erhalten sie kein Arbeitslosengeld, sondern sind gleich auf Hartz IV angewiesen, schreiben die Grünen. Das bürokratische Verfahren, die Einführung von Verdienstobergrenzen und die überwiegende Berücksichtigung von nur sehr kurzen Beschäftigungsverhältnissen würden die meisten flexibel Beschäftigten vom Arbeitslosengeldbezug ausschließen, heißt es in dem Antrag. SPD und die Linke bewerten dies ähnlich, und alle drei Fraktionen fordern die Abschaffung der überwiegenden Kurzzeitbeschäftigungen von 42 Tagen sowie eine deutliche Anhebung der Einkommensgrenze. Außerdem will die SPD-Fraktion in ihrem Antrag die Rahmenfrist, innerhalb derer die Anwartschaftszeit (12 Monate) für den Bezug von Arbeitslosengeld I erfüllt sein muss, von zwei auf drei Jahre verlängern. Das Gesetz zur verkürzten Anwartschaft soll als Sonderregel für kurzzeitig befristete Beschäftigte um weitere drei Jahre verlängert werden mit der Maßgabe, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld I mindestens drei Monate beträgt, wenn innerhalb der Rahmenfrist Versicherungsverhältnisse von insgesamt mindestens sechs Monaten vorliegen.

Auch die Koalitionsfraktionen hatten sich im Vorfeld mit der Thematik befasst und einen Änderungsantrag zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgelegt. Mit den geforderten Änderungen, heißt es seitens der Fraktionen, „wird die Sonderregelung der Arbeitslosenversicherung zur verkürzten Anwartschaftszeit für überwiegend kurz befristet Beschäftigte verlängert und modifiziert.“ Eine „erneute Befristung der Regelung bis zum 31. Dezember 2014“ solle berücksichtigen, dass „die Sonderregelung derzeit im Rahmen der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung evaluiert wird und belastbare Ergebnisse dieser Wirkungsforschung voraussichtlich im Jahr 2014 vorliegen werden.“

Die Vertreterin der ver.di FilmUnion, Veronika Mirschel, wies in der Expertenbefragung ausdrücklich darauf hin, dass die momentane Anwartschaftszeitregelung, die von ver.di 2006 in den Tarifvertrag eingeführte Schaffung von Arbeitszeitkonten konterkarieren würde. Denn die regelmäßigen Überstunden der Filmschaffenden, die in das Arbeitszeitkonto übertragen werden, sichern den Filmschaffenden mehr Sozialversicherungstage, bedeuten aber häufig, dass auch die Befristungsgrenze der Beschäftigungszeit von 42 Tagen überschritten wird und damit der Anspruch auf ALG I nach jetziger Rechtslage verloren geht. Mirschel begrüßte zwar den Vorschlag der Bundesregierung, die Befristungsgrenze anzuheben, wobei die vorgesehene Anhebung auf 10 Wochen jedoch nicht weit genug gehe. Eine weitergehende Regelung von mindestens 13 Wochen – bei gleichzeitiger Anhebung der Verdienstgrenze mindestens in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze – als nächsten Schritt hält die ver.di FilmUnion für unverzichtbar. Deshalb müsse auch die derzeitige willkürlich festgelegte Entgeltgrenze von 31.500 € abgeschafft werden, denn sie sei viel zu niedrig bemessen. Vielmehr fordert die ver.di FilmUnion, einen gestaffelten Zugang zum ALG I für die immer verbreitetere Kurzzeitbeschäftigung von Film- und Kulturschaffenden zu ermöglichen, und damit das Risiko der Betroffenen nach ihren Beschäftigungszeiten gleich wieder in Hartz IV zu fallen deutlich zu minimieren. Die Ergebnisse der Branchenstudie zur verkürzten Anwartschaft „abgedreht und abgelehnt“ der ver.di FilmUnion (siehe Ausgabe verdi FilmUnion Newsletter 02/2012) belegen die Gewerkschaftsforderungen eindringlich. Ziel sei es deshalb, dass die Regierungsfraktionen konsequent die erforderlichen Schritte zur sozialen Absicherung der Film- und Kulturschaffenden einleiten und ihren Antrag noch einmal nachbessern.

Unterstützt wurden die Positionen der ver.di FilmUnion von der Bundesvereinigung der Filmschaffenden-Berufsverbände und dem Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler (BFFS), die ihrerseits ebenfalls an der Anhörung teilnahmen und dringenden Anpassungsbedarf des Gesetzes sehen.

Allerdings ging es in der Anhörung auch um Arbeitnehmer aller Branchen. So z.B. um Arbeitnehmer ohne Schulabschluss. Der freie Experte Professor Dr. Gerhard Bosch betonte, man müsse vor allem die Begleitmaßnahmen stärken, also das Aus- und Fortbildungsangebot, damit die Betroffenen besser eine länger- oder langfristige Beschäftigung fänden. Der Experte des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Dr. Wilhelm Adamy, betonte, dass er den Vorschlag der SPD-Fraktion für „sehr zielführend“ halte.

(Quelle: hib - heute im bundestag Nr. 197)

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