Künstlerische Freiheit - entert die Piratenpartei das Urheberrecht?

(BFV-Newsletter 09/2011) Die Piratenpartei wurde in Schweden gegründet, mittlerweile gibt es Ableger davon in ganz Europa, ein schwedischer Abgeordneter saß sogar im Europaparlament, wenn auch nur kurz. Seit ihrer Gründung 2006 in Deutschland wurde viel geredet über die junge Partei. Und nach ihrem Achtungserfolg von 1,5% der Stimmen bei der letzten Bundestagswahl 2009, sind die Piraten 2011 zum ersten Mal in ihrer Geschichte in ein Länderparlament eingezogen und zwar mit satten 9 %.
Das bedeutet, dass man sie nun nicht mehr als Eintagsfliege, oder als Berliner Phänomen abtun kann. Wofür stehen also die Piraten? Bei einem Blick in ihr Parteiprogramm, fällt einem schnell der § 3 auf: „Urheberrecht und nicht-kommerzielle Vervielfältigung“. Unter 3.1 fordern sie allen Ernstes: „Keine Beschränkung der Kopierbarkeit kreativer Werke, denn die Schaffung von künstlichem Mangel aus rein wirtschaftlichen Interessen erscheint uns unmoralisch, daher lehnen wir diese Verfahren ab.“ Müssen die Urheber also Angst um ihr Recht an ihren Werken bekommen, jetzt, wo die Piraten Erfolg haben?

„Im Allgemeinen wird für die Schaffung eines Werkes in erheblichem Maße auf den öffentlichen Schatz an Schöpfungen zurückgegriffen“, heißt es im Parteiprogramm der Piraten arg verschwurbelt. Und weiter: „Die Rückführung von Werken in den öffentlichen Raum ist daher nicht nur berechtigt, sondern im Sinne der Nachhaltigkeit der menschlichen Schöpfungsfähigkeiten von essentieller Wichtigkeit. Es sind daher Rahmenbedingungen zu schaffen, welche eine faire Rückführung in den öffentlichen Raum ermöglichen. Dies schließt insbesondere eine drastische Verkürzung der Dauer von Rechtsansprüchen auf urheberrechtliche Werke unter die im TRIPS-Abkommen vorgegebenen Fristen ein.“ Wurde Freiherr zu Guttenberg und Frau Silvana Koch-Mehrin Unrecht getan, als sie öffentlich derart abgekanzelt wurden, bloß weil sie bei ihren Doktorarbeiten seitenweise abgekupfert haben? Haben sich die beiden, und andere mehr, nicht in Wahrheit geradezu verdient gemacht um unser aller Allgemeinwohl?
Die Piraten hören sich an, als ob Vertreter der „Pirate Bay“, die illegale und abgeurteilte Download-Plattform, die ebenfalls aus Schweden kam, ihnen die Feder geführt hätten. Tatsächlich verzeichnete die schwedische Piratenpartei nach dem umstrittenen Pirate-Bay-Urteil einen großen Mitgliederzulauf. Und wie die Pirate Bay punktet auch die hiesige Piratenpartei besonders unter jungen Menschen, vor allem mit der Forderung nach freiem Umgang mit geistigem Eigentum. Für „Digital Natives“, also Menschen, die so jung sind, dass sie gar nichts anderes mehr kennen, als digitale Daten zu „copyen“„pasten“ „down- und upzuloaden“ ist ja genau dieser freie Umgang mit Internet, Privatdateien und öffentlich zugänglichen Publikationen Ausdruck ihrer persönlichen Freiheit. Diese bedeutet, sich in der virtuellen Welt regel- und gesetzlos benehmen zu können, weil es dort keine Regeln und Gesetze zu geben hat.
Aus der Sicht eines Computer-Nerds mag es erstrebenswert sein, einen Rechte freien Raum zu betreten. Doch sobald dieser Nerd zum Urheberrechtsinhaber wird, wird auch er sich nicht damit zufrieden geben, dass seine Musik, sein Buch, sein Film frei im Internet kopiert und reproduziert werden können und sollen. Auch er wird eine angemessen Vergütung für sein geistiges Eigentum verlangen, denn er wird wissen, dass ihm bereits durch entgangenen Gewinn ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist, und nicht erst durch mangelnde angemessene Honorierung seines Werkes.
Die Piraten-Partei proklamiert sich als links-soziale Partei, hat dort allerdings kaum programmatische Schwerpunkte. In den Kernpunkten ihres Parteiprogramms geriert sie sich allerdings wie eine neoliberale Partei. Die nun noch stärker in den Medien und der Öffentlichkeit geführte Debatte über diese offensichtlichen Widersprüche werden sicherlich spannend.
Es ist also eine Frage der Erfahrung, bis sich die Piraten in der Frage des Urheberrechts der gängigen Meinung mindestens stellen müssen. Denn eigentlich ist es schwer vorstellbar, dass die Piraten es sich in Sachen Urheberrecht mit ver.di, dem BundesFilmVerband BFV in ver.di und allen anderen Filmverbänden, dem Deutschen Kulturrat, dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien Herrn Neumann, den Verwertungsgesellschaften und allen gegenwärtigen und zukünftigen Urheberrechteinhabern verderben wollen. Solange die Piratenpartei, die so frisch und anders daherkommt, als die Alteingesessenen, auch weil ihre Vertreter reden, wie ihnen die Schnäbel gewachsen sind, sich hierbei allerdings verhält, als ob sie noch nie einen Künstler gesehen hätte, wird sie sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, selbst nur ein One-Hit-Wonder zu sein - und ein studentisches dazu.


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