Film & Fernsehen

Die Gewerkschafter sind da: BFV-Setbesuche gehen ins vierte Jahr

(BFV-Newsletter 09/2011) Es fing ganz harmlos an: Im Jahre 2008 war in der Vorstandsversammlung des Berliner regionalen Filmverbandes Piet F.* zu Besuch, ein Produktionsfahrer, der davon berichtete, dass in der Schweiz Setbesuche durch die dortige Gewerkschaft etwas völlig Normales seien. Die Filmschaffenden würden offen über ihre Arbeitsbedingungen reden, loben und kritisieren, die Gewerkschaftsvertreter versprächen, die Missstände zu beheben, wo möglich.
Die Schilderungen Piet Fs., der es bei Jobs in der Schweiz erlebt hatte, dass Gewerkschaftsvertreter mit offenen Armen empfangen wurden, elektrisierten Kathlen Eggerling, die Gewerkschaftssekretärin des Vorstands vom BFV- Berlin/Brandenburg. Es bestand kein Grund für sie, warum es diese Setbesuche nicht auch in Deutschland geben sollte. Nachdem sie in Rom bei der Generalversammlung der Euro-Mei, einem Zusammenschluss europäischer Gewerkschaften, die zuständige Schweizer Gewerkschafts-Hauptamtliche getroffen hatte, stand ihr Entschluss fest: Setbesuche in der gleichen Art auch in Deutschland durchzuführen. Mittlerweile praktizieren Eggerling und ihr Team dies im vierten Jahr.

„Es geht hierbei wirklich um Besuche“, sagt Eggerling, „und um nichts anderes. Wir sind ja weder die Polizei noch das LAGetSi, also das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin.“ Eggerling kann es manchmal immer noch nicht glauben, wenn sie wieder einmal auf einem Set steht und den Eindruck hat, dass die verantwortlichen Produktionsleiter nichts vom Tarifvertrag, der Einhaltung von Arbeitszeiten oder Ruhephasen wissen oder wissen wollen. „In Erfurt war ich mal auf einem Set“, erzählt Eggerling, „da hat mich der Produktionsleiter den ganzen Tag nicht aus den Augen gelassen, weil er überzeugt war, er sei verraten worden. Und jetzt wollte er denjenigen ausfindig machen, der ihn bei der Gewerkschaft angeschwärzt hatte.“
Mittlerweile hatte sich herausgestellt, dass dieser PL nicht böswillig war, als er sich weder um Arbeitszeiten noch um Ruhephasen kümmerte, sondern lediglich unwissend. Und heute ist es so, dass er sich fast vor jeder neuen Produktion bei Eggerling vergewissert, korrekte Verträge anzubieten.
Doch selbstverständlich sind nicht jeder PL und Produzent nur naiv. Im Falle der mittlerweile insolventen Typhoon AG war wohl Vorsatz im Spiel. Für die Serie „Im Angesicht des Verbrechens“ hatte Dominik Graf 2008 angeblich nur 8 Folgen vom WDR bewilligt bekommen. Er selbst wollte aber einen 10-Teiler aus dem Stoff machen, die Produktionsfirma Typhoon unterstützte ihn nach verschiedenen Aussagen leichtfertig in seinem Anliegen, indem sie die Arbeitszeit der Filmschaffenden auf bis zu 18 Stunden am Tag verlängerte. Nachdem der Berliner Arbeitsschutz auf Missstände am Set aufmerksam gemacht wurde, u.a. wurden Verletzungen des Arbeitszeitgesetzes wegen Überstunden und Nichteinhaltung von Ruhezeiten moniert, kam es zu behördlichen Auflagen. Daraufhin wurden zwölf zusätzliche Drehtage angesetzt. Die aus dem Mehraufwand an Drehtagen entstandenen Mehrkosten sind wohl mitverantwortlich für die Insolvenz der Typhoon. Regisseur Dominik Graf bestätigt dies in Aussagen gegenüber der Presse.
Dass es in der Branche schwarze Schafe gibt, ist bekannt. Aber eines freut Eggerling bei ihren Besuchen dennoch. „Ich hatte erwartet, dass die Leute mich meiden und nicht mit mir reden“, sagt Eggerling, „doch das Gegenteil ist der Fall. Einige Filmschaffende sind regelrecht erfreut, mich zu sehen.“ Das hänge laut Eggerling vor allem damit zusammen, dass die Setarbeiter den Eindruck bekommen, hier kümmert sich wirklich jemand, und wenn es mal Probleme gibt, wissen sie, dass sie nicht alleine gelassen werden. Das findet Eggerling, sei ein schönes Gefühl, vor allem auch, weil ihre Arbeit gewürdigt werde und der BFV in ver.di dadurch positiv in den Fokus der Filmschaffenden gerate.
Gerade wurde beschlossen, dass die Setbesuche auch in den nächsten Monaten weitergehen werden. Und so bleibt zu hoffen, dass es sich bald unter allen Filmschaffenden herumgesprochen haben wird, dass durch gewerkschaftliches Engagement des BundesFilmVerbands BFV sich durchaus schlechte Arbeitsbedingungen verbessern lassen. Allerdings braucht der BFV Informationen über diese schlechten Bedingungen. Von den Filmschaffenden selbst.
Wer nachlesen möchte, was Eggerling und ihr Team im Jahre 2010 bei Setbesuchen erlebt haben, dem sei das unterhaltsame Tagebuch, neudeutsch: Blog, Eggerlings empfohlen.

* Name von der Redaktion geändert

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