Film & Fernsehen

„6 statt 12“ geht in Runde 2 - Diskussion zu Verbesserungen bei ALG I läuft an

(BFV-Newsletter 05/2011) Der Ausschuss für Kultur und Medien des Bundestages ließ sich am 11. Mai von Experten informieren. Die ersten Schlüsse aus dem Vorgetragenen fallen – je nach Sitz in Regierung oder Opposition - sehr unterschiedlich aus.
Zur angekündigten Reform der im August 2009 gemeinsam von CDU/CSU und SPD eingeführten Regelung zum ALG I für Film- und Kulturschaffende stehen alle Beteiligten weiterhin, wie diese Reform der Reform aussehen soll ist dagegen noch unklar: Unbefriedigend für alles ist: durch die verkürzte Anwartschaftszeit in der nun geltenden zu restriktiven Form haben abhängig beschäftigte Filmschaffende und Künstler kaum eine Möglichkeit, Arbeitslosengeld I zu beziehen. Dies hatte ver.di bereits im Sommer 2009 nach Bekanntwerden der Gesetzesentwürfe der großen Koalition befürchtet. Dabei hatten im Vorfeld die Koalitionspolitiker herausragend vor allem Kulturstaatsminister Bernd Neumann noch wirkungsvolle Verbesserungen für die Zugangsvoraussetzungen zum ALG 1 versprochen und dafür durchaus taugliche Vorschläge gemacht. An diese Ideen sollten sich die federführenden CDU-Politiker nun erinnern. „Erfreulicherweise nimmt die CDU nun ihre Aufgabe wahr, die Mitte 2009 aus der Taufe gehobene verkürzte Anwartschaft auf ALG 1 nachzubessern“, erklärt Tarifsekretär Matthias von Fintel. „Kulturstaatsminister Bernd Neumann, hatte damals schon - wie auch von den Filmgewerkschaftern gefordert - eine deutliche längere Befristungsdauer von 3 Monaten, statt der nun geltenden 6 Wochen gefordert. Wenn auch die Begrenzung des Einkommens von rund € 30.000 die Filmschaffenden nicht weiter vom Anspruch auf ALG 1 ausschließen würde, könnte die CDU ihre Versprechungen umsetzen und zu einer wirkungsvollen sozialen Absicherung von Filmbeschäftigten beitragen. Unser Beitrag zur Lösung ist das tarifvertragliche Zeitkonto, das zu einer längeren Beschäftigungszeit und damit Beiträgen in die Sozialversicherung führt“, so der Gewerkschafter abschließend. Weiterhin erwartet von Fintel aus den Ergebnissen der vom BFV durchgeführten Umfrage unter Filmschaffenden Aussagen dazu, welche Schwächen die verkürzte Anwartschaft zur sozialen Absicherung noch hat und an welchen Stellschrauben gedreht werden müsse.

Die vom BFFS durchgeführte Umfrage liefert bereits Zahlen. Lediglich 4,6 % der befragten Schauspieler hätten 2010 aufgrund der Neuregelung einen Anspruch auf ALG I geltend machen können, obwohl 68,1 % aller Schauspieler unterdurchschnittlich verdienten. Heinrich Schafmeister vom BFFS zeigte auf, dass auch Erhebungen der Bundesagentur für Arbeit belegen, dass die Schätzungen der Mehrkosten vom Finanzminister Steinbrück weit überzogen waren. „Gut gemeint und doch daneben“. Weiterhin sollte mittelfristig die Sozialversicherungspflicht für kurz befristet Beschäftigte verstetigt, d. h. nicht mehr auf den Tag genau bemessen, sondern auf den jeweiligen Kalendermonat aufgerundet werden. „Fortschritte in der Sozialgesetzgebung“, resümiert der Schauspieler augenzwinkernd, „erfolgen nur in homöopathischen Dosen. Deshalb erwartet er vom Gesetzgeber auch nicht morgen den großen Wurf, sondern regelmäßig viele kleine Schritte in die richtige Richtung, um die strukturelle Benachteiligung der Künstler und Kulturschaffenden im Sozialsystem langfristig zu beseitigen.“ Übereinstimmend wiesen die Vertreter der Kulturschaffenden, des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS), der Bundesagentur für Arbeit, der Künstlersozialkasse sowie eine Sozialwissenschaftlerin auf den radikalen Wandel auf dem Arbeitsmarkt "Kultur" hin. Anschaulich wurde vor Augen geführt, dass die herkömmlichen Sicherungssysteme immer ungenügender dem wachsenden Absicherungsbedarf gerecht werden. Als Ursache wurde die Erosion der Normalarbeitsverhältnisse ausgemacht. Die Abgrenzung zwischen dem Status der Selbständigkeit oder abhängiger Beschäftigung, auf der unser Sozialversicherungssystem beruht, wird der Berufswirklichkeit immer weniger gerecht mit der Folge, dass eine wachsende Zahl von Kulturschaffenden in prekären Verhältnissen mit unzureichender Absicherung tätig ist. Stattdessen ist ihre Arbeitswelt immer stärker von Erwerbsmischformen geprägt.

Die SPD macht in ihrer Stellungnahme deutlich, dass Kulturschaffende nicht alleine durch die Veränderungen in der Arbeitswelt durch das Rost der Arbeitslosenversicherung fallen. Rund ein Viertel der Einzahler in die Arbeitslosenversicherung kämen durch die Regeln zum Leistungsbezug heute aus unterschiedlichsten Gründen nicht mehr in den Genuss der Leistung, legte Dr. Alexandra Manske ihre neuesten Forschungsergebnisse dar. Das heißt nichts anderes, als dass sie den niedrigen Beitragssatz der Anstalt subventionieren und den Bundeshaushalt entlasten. Die zuständige Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion Angelika Krüger-Leißner erklärte dazu: „Die Ausführungen der Experten haben den dringenden Handlungsbedarf zur verbesserten sozialen Absicherung mehr als deutlich gemacht; deutlich wurde auch, dass sich diese atypischen Arbeitsverhältnisse inzwischen auf dem gesamten Arbeitsmarkt ausbreiten“. Daraus zieht die SPD-Bundestagsfraktion den Schluss, dass nicht nur die bestehenden Instrumente der Absicherung wie die Künstlersozialversicherung oder die Sonderregelung für den ALG I-Anspruch weiter gestärkt und verbessert werden müssen. Vielmehr will die SPD die Probleme auch grundsätzlich angehen, indem neue Ansätze für eine Erwerbstätigenversicherung

oder Arbeitsversicherung weiterverfolgt werden sollen. In diesem Zusammenhang begrüßt die SPD-Fraktion den Vorschlag des Vertreters des BMAS für einen Runden Tisch auf.

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