Zersplitterung beim Deutschen Filmpreis

(BFV-Newsletter 04/2011) „Almanya“ war der große Gewinner mit der Silbernen Lola sowie dem Preis für das Drehbuch für die Schwestern Nesrin und Yasemin Samderelli bei der Verleihung der Deutschen Filmpreise 2011 am 8. April im Berliner Friedrichstadt-Palast.
Geheimfavorit „Der“ gewann zwei Lolas (Regie für Tom Tykwer und Darstellerin Sophie Rois). Am meisten Preise heimste jedoch „Poll“ ein, der es zum Erstaunen von Kritik und Fachpublikum als Film aber nicht mal unter die besten Sechs geschafft hat. Völlig überraschend hatte es „Der große Traum des Konrad Koch“ unter die sechs Jahrgangsbesten geschafft. Für den Film zog Produzent Anatol Nitsche eine so genannte Wildcard, die erstmals in der Geschichte der Preisverleihungen durch die Filmakademie stach. Waren es die zahlreichen Fußball-Fans unter den zur Abstimmung berechtigten Drehbuchautoren, Regisseuren und Produzenten der Filmakademie, die den handwerklich soliden und unterhaltenden, aber weder künstlerisch und inhaltlich wenig innovativen und aufregenden Film über die Anfänge der Fußball-Euphorie in Deutschland doch noch den Sprung unter die Titel verschaffte, deren Produzenten sich über 250.000 Euro für die Nominierung freuen können? Film-Akademie-Geschäftsführer Alfred Holighaus, selbst bekennender Schalke-Fan, möchte darüber nicht spekulieren.

Sichtbar wird ein allgemeines Unbehagen über ein Verfahren, dass immer komplizierter wird, das sich die Akademiemitglieder aber letztlich selbst eingebrockt haben. Die Wildcards wurden eingerichtet, damit Produzenten ihren Film nachreichen können, der nicht unter den 20 Titeln ist, die von der Vorauswahl-Kommission Spielfilm ausgewählt wurden. An deren Arbeit gab es in diesem Jahr Kritik von den Künstlern. Zunächst überging der Kulturausschuss des Bundestages die SPD bei der Benennung. Die Regierungsparteien drückten Claudia Winterstein aus der FDP neben Dorothee Bär durch. Vielleicht wurden die zur Abstimmung berechtigten Akademie-Mitglieder aber erst durch ein Interview auf die Wildcard aufmerksam, dass Produzent Nitschke einem Fachmagazin gegeben hatte. Er war der Erste, der diesen Weg ging. Ansonsten wird das Ausspielen einer Wildcard von den Produzenten eher diskret behandelt. Alleine in diesem Jahr gingen elf Produzenten diesen Weg, auch im Vorjahr war es ein gutes Dutzend. Wollten die Abstimmenden zeigen, dass sie nichts gegen Unterhaltung im Kino haben, wie ihnen unterstellt wurde. Oder waren sie besonders neugierig geworden, weil das Drehbuch von „Konrad Koch“ von der Vorauswahl-Jury komischerweise ausdrücklich zur Nominierung empfohlen worden war. Wieso, fragt man sich, wenn der Film dann so schlecht ist, dass er nicht mal vornominiert ist? Oder liegt es vielleicht am neuen Abstimmungsverfahren, das „zu genauerem Nachdenken und präziseren Gewichten der einzelnen Filme führen soll“, wie Akademie Präsidentin Iris Berben begründete. Für jeden Film wird jetzt eine Bewertung in fünf Stufen vergeben und gewertet werden alle Filme, die von mindestens 10% der abstimmungsberechtigten Akademiemitglieder bewertet wurden. Gewonnen hat der Film, der den besten Durchschnitt erreicht. So sollen auch kleinere Filme eine Chance erhalten, die von weniger Akademiemitgliedern gesehen wurden. Was in diesem Jahr allerdings nicht auf ging – die wenigen engagierten Autorenfilme wie „Renn wenn du kannst“, die es zumindest auf die Liste der Vornominierungen geschafft haben, gingen leer aus. Das Verfahren hat jedoch einen Pferdefuß. Er ist anfällig für Manipulationen. Ein kleiner Personenkreis kann mit hohen Bewertungen für einen Außenseiter, der von vielen anderen gar nicht benotet wird, da sie schon genug mit dem Sichten der anderen Titel beschäftigt sind, das Ergebnis verfälschen.

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