Film & Fernsehen

Kleines Fernsehspiel disponiert gegen Kinokoproduktionen

(BFV-Newsletter 06/2010) Eine Angst geht um bei Deutschlands jungen Filmemachern. Die Angst, mit dem Kleinen Fernsehspiel des ZDF einen wichtigen Partner für das Entstehen ihrer Kinofilme zu verlieren.
Eine begründete Angst, denn das Zweite will umschichten. Im Moment sind 65% der von der Redaktion unterstützten Dokumentarfilme Kinokoproduktionen, bei den Spielfilmen sind es sogar 85%. In drei Jahren soll dieser Anteil auf jeweils 50% sinken. Dafür soll die Zahl der Auftragsproduktionen steigen, in denen junge Talente Freiraum für künstlerische Experimente in allen Formaten und Genres finden sollen. Mit dieser Entscheidung will die Redaktion zurück zu den Wurzeln und junge Filmemacher ohne Druck von Kinomarkt und Einschaltquoten ermutigen, eigene Handschriften auszubilden und zu spielen. "Das ist der Vorteil des späten Sendeplatzes. Wir können Längen von 30 Minuten bis zwei Stunden zeigen oder Genres ausprobieren, die dem Zuschauer nicht einfallen, wenn er an den deutschen Film denkt", betont Claudia Tronnier, Leiterin der Redaktion, die Vorzüge der neuen Ausrichtung und verweist auf den Zombie-Film "Rammbock", der gerade erfolgreich auf deutschen Festivals läuft. "Wir haben den Eindruck, dass junge Regisseure auch solche Projekte umsetzen wollen."

Auf Zustimmung stößt der Vorstoß bei den Filmhochschulen, deren Absolventen im Kleinen Fernsehspiel schon lange einen verlässlichen Partner hatten. "Wir wissen, dass sie die finanziellen und künstlerischen Belastungen kritisch gesehen haben, dass unbedingt ein 90minütiger Kinofilm als Abschlussfilm entstehen musste. Jetzt schaffen wir mehr Spielraum, auch mittellange Filme zu unterstützen."

Das Erfolgsmodell der Kooperation von Hochschulen und Redaktion bei der Betreuung von Absolventen wird jetzt auf mehreren Ebenen fortgesetzt. Abzuwarten bleibt, wie der Markt reagiert und solche Filme als Visitenkarte für spätere Langfilme gesehen werden. Und es bleibt ein weiterer Nachteil: Auch viele junge Produzenten lernten bislang im geschützten Raum, ein Kino-Projekt bis zur Premiere zu begleiten, mit Sendern, Förderern und Verleihern zu verhandeln. Solche Modelle könnten jetzt seltener werden.

Durch die neue Programmpolitik sollen der Redaktion des Kleinen Fernsehspiels auch finanzielle Spielräume erwachsen.- für einen mittellangen Film werden vielleicht nur 200.000 Euro benötigt, 600.000 fließen dann in einen Langfilm. "Bei Auftragsproduktionen steht in der Regel weniger Geld für einen Spielfilm zur Verfügung als bei Kinokoproduktionen" kündigt Claudia Tronnier an. Im Durchschnitt flossen in den vergangenen Jahren 800.000 Euro in Kinokoproduktionen, zu denen oft auch Förderer ihren Teil beitrugen. "Wir haben aber auch die Chance, künftig in einzelne Projekte stärker zu investieren, denen wir ein hohes Potential zutrauen. Denn wir verspüren eine große Offenheit im Haus, der Redaktion Sendeplätze im Hauptabendprogramm einzuräumen." So wird die Sommerreihe "Gefühlsecht", die am 14. Juli zum gewohnt späten Sendeplatz mit "Leroy" startet, am 02. August um 20.15 Uhr mit "So glücklich war ich noch nie" beendet. "Wir haben Signale aus dem Haus, dass wir im Frühherbst diesen Platz ein zweites Mal bespielen können. "Alexander Adolphs Hochstaplerdrama ist eine der wenigen Kinokoproduktionen der Redaktion, die zwei Jahre nach Dreh gesendet werden kann. Das Zweite erhielt für den Film eine Ausnahmegenehmigung, die gesetzlich vorgeschriebenen 18 Monate zwischen Kinostart und Ausstrahlung zu verkürzen. "Regionale Filmförderer sind dafür sehr offen. Bei der Filmförderungsanstalt, die auch für Anträge auf Grund der Förderung durch den Staatsminister für Kultur und Medien verantwortlich ist, ist das schwieriger", so erzählt Claudia Tronnier. "Ich würde mir wünschen, für Nachwuchsfilme generell über andere Regelungen nachzudenken." Für die Redaktion ist dies aber nicht der ausschlaggebende Grund, die Zahl der Kinokoproduktionen herunterzufahren. "Viele Filme wandern lange über Festivals und die Starttermine werden verschoben. Andere finden nur schwer einen Verleih, werden mit wenigen Kopien gestartet und verschwinden nach zwei drei Wochen aus dem Programm. Relevante Zuschauerzahlen erreichen sie im derzeitigen Kinomarkt leider nicht.

Diese Unwägbarkeiten erschweren aber die Planung beim ZDF. "Wir müssen mitunter drei bis vier Jahre mit der Ausstrahlung der Filme nach Fertigstellung warten. Filme können dann ihre inhaltliche und künstlerische Relevanz eingebüßt haben. Außerdem haben die Verzögerungen der Kinostarttermine bei uns zu einem Berg von neuen Filmen geführt, den wir erst mal ausstrahlen wollen und müssen. " Für viele Filmemacher, die ihre ersten Schritte bereits hinter sich haben, ist die Neuausrichtung des Sendeplatzes eine bittere Pille. Bis zu drei Mal konnten sie in einzelnen Fällen bislang mit der Redaktion zusammenarbeiten. "Beim dritten Film kommt es bei Kinokoproduktionen künftig noch einmal mehr auf den Stoff an, denn die Konkurrenz wird noch größer." Die Zusage eines Senders ist meist der erste Schritt, um weitere Förderer von der Güte des Projekts zu überzeugen. Im Moment spüren vor allem die Dokumentarfilmregisseure- und Produzenten die neue Richtung, für deren Filme in diesem Jahr noch finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Spielfilme werden erst ab 2011 betroffen sein. Für Regisseure und Produzenten bedeutet dies umzudisponieren und die Budgets neu zu planen.

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